Vipassana 10-Tages-Retreat

Ich möchte hier von dem 10-Tages-Retreat für Vipassana-Meditation erzählen, bei dem ich im Zentrum in Mont-Soleil im Schweizerischen Jura teilgenommen habe.

Während 10 Tagen sah mein Tagesablauf wie folgt aus:

04:00 Gong - Aufstehen
04:30-06:30 Meditation in der Halle oder im eigenen Zimmer
06:30-08:00 Frühstückspause
08:00-09:00 GRUPPENMEDITATION IN DER HALLE
09:00-11:00 Meditation in der Halle oder im eigenen Zimmer
11:00-12:00 Mittagessen
12:00-13:00 Ruhepause und Gelegenheit zum Interview mit dem Lehrer
13:00-14:30 Meditation in der Halle oder im eigenen Zimmer
14:30-15:30 GRUPPENMEDITATION IN DER HALLE
15:30-17:00 Meditation in der Halle oder im eigenen Zimmer
17:00-18:00 Teepause
18:00-19:00 GRUPPENMEDITATION IN DER HALLE
19:00-20:15 Vortrag des Lehrers in der Halle
20:15-21:00 GRUPPENMEDITATION IN DER HALLE
21:00-21:30 Zeit für Fragen in der Halle
21:30 Nachtruhe - Licht aus


Hinzu kam ein Anreisetag mit Meditation am Abend sowie ein Abreisetag mit Meditation am Morgen.

Das Vipassana-Zentrum liegt auf einem Berg im schönen Jura. Ein altes Schullandheim, das umgeben ist von einem kleinen Park und einem verwunschenen Waldstückchen, wo man in den Pausen kurze Spaziergänge machen kann.
Das Gebäude ist teilweise renoviert. Der Frauenflügel ist leider noch unrenoviert und hat knarzende Holzdielen, dies soll aber bald geändert werden.

Frauen und Männer werden am Anreisetag getrennt und kommen nur in der Meditationshalle "zusammen" - Frauen rechts, Männer links. An vollen 9 Tagen darf zwischen den Teilnehmern nicht kommuniziert werden. Keine Worte, keine Gesten, keine Blicke, keine Berührungen. Jeder soll die Möglichkeit haben, voll und ganz in sich selbst abzutauchen. Das Plappern des Verstandes lässt sich leichter abstellen (bzw. leiser stellen), wenn keine soziale Interaktion stattfindet. Natürlich auch keine Handys, Bücher, kein Schreibzeug.

Der Tagesablauf kam mir nicht besonders streng vor. Ich hatte befürchtet, sehr unter Schlafmangel zu leiden, aber dies war kaum der Fall.  Als neue Schülerin durfte ich abends immer ein Stück Obst und etwas Tee mit Sojamilch zu mir nehmen und fand diese leichte Mahlzeit sehr angenehm und es hat mich sehr gut schlafen lassen.

Das Essen war allgemein sehr gut. Das meiste war vegan, vegetarisch sowieso, mit viel frischem Salat und Gemüse und es gab auch immer eine glutenfreie Option, wenn nicht sowieso alles glutenfrei war.

Das Härteste waren die Rückenschmerzen in den ersten Tagen. Glücklicherweise haben sie sich dann aber mehr und mehr gelöst und am Ende hatte ich das Gefühl, viel leichter zu sein, als wäre eine Last von meinem Rücken abgefallen.

Am Ende des zweiten Tages lag ich abends im Bett und erlebte die beeindruckendste innere Bildershow, die ich je ohne Drogen erlebt habe. Psychedelische, knallbunte und glasklare Bilder, die unkontrolliert vor meinem inneren Auge flatterten und tanzten. Anfangs fand ich es noch lustig. Doch dann konnte ich lange nicht einschlafen und die Bilder nicht abschalten. Am nächsten Tag hat es sich dann gelegt und wurde auch nie wieder so intensiv.

Abgesehen davon passierte eigentlich nichts Spektakuläres, keine transzendentalen Momente der Einheit mit allem, kein Einblick ins Nirvana, keine himmelhochjauchzenden Glücksmomente. Mit Ausnahme von 2-3 kurzen Wachtraum-/Astralerfahrungen, die wohl in  so einem Zustand und Umfeld einfach leichter "von der Hand gehen", zumal ich dies in der Zeit mehr oder weniger diszipliniert trainiert hatte.


Es fiel mir schwer, mich nicht von den Geräuschen meiner Mitmeditierenden ablenken zu lassen. Wenn 70-80 Leute in so einer Meditationshalle sitzen, ist immer jemand, der hustet, hin und her rutscht, sich schnäuzt, etc. Außerdem waren mir die Anleitungen des Lehrers zu viel. Ich hätte lieber mehr in absoluter Stille meditiert.

Es fiel mir schwer, nicht meine altgedienten Meditationsübungen anzuwenden, um mich glücklicher und verbundener zu fühlen. Bei Vipassana soll man sich nämlich nichts vorstellen, keine Lichtenergie, keine Liebe, keine Wärme, kein Herzchakra öffnen, keine Mantras etc. Es ist die reine Konzentration auf das Körperempfinden im Hier und Jetzt.

Dennoch habe ich einige Momente tiefer Ruhe und Gelassenheit erlebt. Einmal saß ich zum Beispiel in einer Pause am Fenster und schaut hinaus auf die mit Schnee bedeckten Bäume und war einfach nur. Da war kein Gedanke in meinem Kopf, keine Geräusche, einfach nur pures Sein.

In den letzten Tagen fiel es mir auch immer leichter, mich nur auf meine Körperempfindungen zu konzentrieren. Konnte das zarte Pochen der Äderchen an vielen Körperstellen fühlen. Konnte sogar in meinen Körper reinfühlen und nicht nur meinen Herzschlag, sondern auch Organe und anderes wahrnehmen. Ich habe festgestellt, dass im Bauch einige Verhärtungen waren und mich auf diese konzentriert und ihnen Raum gegeben, wodurch sich einige von ihnen gelöst haben. Dann wurde mir jedes Mal total heiß und ich fing an zu schwitzen. Der Lehrer sagt, dass einem heiß wird, wenn sich angestaute Gefühle wie Wut lösen und an die Oberfläche stoßen.

Das Schönste an der ganzen Erfahrung war für mich der Moment, als wir uns wieder mit den anderen unterhalten durften! - am Morgen des zehnten Tages, nach der Morgenmeditation. Gar nicht mal das Sprechen war das Beste, sondern: Wir durften uns plötzlich wieder anlächeln und umarmen!! Tat das gut!! Wir hatten 10 Tage lange im selben Haus gelebt, teilweise im selben Zimmer geschlafen, hatten nebeneinander meditiert, gegessen und Zähne geputzt. Sind auf demselben Weg spazieren gegangen ohne einander auch nur anzuschauen - wie Zombies! Und nun durften wir uns endlich connecten! Das war so unglaublich schön! Es entstanden wundervolle Gespräche mit faszinierenden Frauen, die zwar die letzten zehn Tage dagewesen waren, aber erst jetzt richtig lebendig wirkten. Nach 1-2 Stunden brauchte ich allerdings erstmal wieder eine Pause und flüchtete nach draußen in den Park. Ach, ich fühlte mich plötzlich wieder so lebendig und voller Liebe. Ich lächelte und konnte nicht mehr damit aufhören. Wie sehr wir die Verbindung zu anderen Menschen doch brauchen!!

Hier könnt ihr ein paar Facts über diesen Meditationsstil erlesen.







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